In 1.000 Worten …

Schon mal wahllos auf irgendwelche Klaviertasten gehauen? Ich schon. Klingt mittelprächtig. Ich kenne aber auch Tasten, die sich zusammen ganz toll anhören. Harmonisch nennt man das dann. Und der Weg von der Mittelpracht zur Harmonie ist erstaunlich kurz.

Veröffentlicht am 14.02.2019

Musiktheorie Harmonielehre

Dur- und Moll-Akkorde

Stell Dich ans Klavier und such Dir eine weiße Taste aus. Auf die legst Du Deinen rechten Daumen. Die anderen Finger legst Du auf die nächsten vier weißen Tasten. Nach dem Prinzip „eine nehmen, die Nächste überspringen“ spielst Du jetzt gleichzeitig die Tasten am Daumen, am Mittelfinger und am kleinen Finger. Du hast dann drei verschiedene Töne auf drei weißen Tasten und somit die Grundzutaten für einen Akkord. Akkord bedeutet, dass man mehrere verschiedene Töne gleichzeitig spielt. Häufig sind es Drei- oder Vierklänge, also drei bzw. vier Töne auf einmal. Für die Definition ist es erst einmal völlig gleichgültig, welche Töne das sind, solange sie verschieden sind. Aber manche Kombinationen sind netter anzuhören als andere. Zwar darf man nicht vergessen, dass Schönheit im Auge des Betrachters, oder vielmehr im Ohr des Zuhörers, liegt – aber zumindest innerhalb eines Musikgenres gibt es durchaus mehrheitsfähige Ansichten darüber. Und auch über die Grenzen der Genres hinweg verspricht das eingangs erwähnte Rezept Erfolg. Je nachdem, bei welcher weißen Taste Du angefangen hast, hörst Du einen unterschiedlichen Dreiklang, beispielsweise ein C-Dur, wenn Dein Daumen auf einem C lag, oder ein D-Moll, wenn er auf einem D lag. Man kann sogar sagen: Bei sechs von sieben weißen Tasten hörst Du einige der am häufigsten verwendeten Dreiklänge in der Musik. Nur wenn Du das H als erste Taste und damit als Grundton ausgesucht hast, wirst Du einen etwas selteneren Akkord hören (den sogenannten H-vermindert).

Die Dur- und Moll-Dreiklänge entstehen bei unserem einfachen Grundrezept (eine nehmen, die Nächste überspringen), weil sie einem Prinzip folgen: Sie sind in sogenannten geschichteten Terzen aufgebaut. Damit ist gemeint, dass man drei Töne „aufeinander stapelt“, nämlich einen beliebigen Grundton, dazu die Terz des Grundtons und schließlich die Terz der Terz. Unser Daumen hat den Grundton gespielt, den man auch die Prime nennt (von lateinisch prima ‚die Erste‘). Der Zeigefinger lag auf der Sekunde (von lat. secunda ‚die Zweite‘), aber die haben wir übersprungen. Der Mittelfinger hat die Terz gespielt (von lat. tertia ‚die Dritte‘). Der nächste Ton, der unterm Ringfinger, ist vom Mittelfinger aus betrachtet wieder die Sekunde, vom Grundton aus betrachtet heißt er Quarte (von lat. quarta ‚die Vierte‘). Und der Ton am kleinen Finger heißt vom Grundton aus betrachtet Quinte (von lat. quinta ‚die Fünfte‘), aber vom Mittelfinger aus betrachtet ist er die Terz. Er ist also gemäß dem Schichtprinzip die Terz der Terz.

Dieses Schichtprinzip wenden wir für jeden Grundton auf die gleiche Art an, aber nicht bei jedem Grundton kommen wir auch zum gleichen Ergebnis. Manchmal kommt ein Dur-Dreiklang dabei heraus (C-Dur, F-Dur, G-Dur), manchmal ein Moll-Dreiklang (D-Moll, E-Moll, A-Moll). Und manchmal, mit „H-vermindert“, etwas ganz anderes. Dieser Unterschied liegt daran, dass wir uns nur auf die weißen Tasten beschränkt haben. Die weißen Tasten entsprechen den Tönen der C-Dur- (oder A-Moll-) Tonleiter (C, D, E, F, G, A und H). Etwas theoretischer ausgedrückt haben wir nur die leitereigenen Töne dieser Tonleiter gespielt und die leiterfremden, zum Beispiel das Fis, ignoriert. Wenn wir jetzt die schwarzen Tasten zwar weiterhin nicht spielen, aber auch nicht mehr komplett ignorieren, stellen wir fest: Beim Akkord C-Dur liegen zwischen Daumen und Mittelfinger, also zwischen Grundton und Terz, zwei schwarze Tasten. Zwischen Terz und Quinte, also zwischen Mittel- und kleinem Finger, liegt nur eine. Beim D-Moll ist es gerade andersherum. Zwischen Grundton und Terz liegt nur eine schwarze Taste (das Dis), zwischen Terz und Quinte liegen zwei (das Fis und das Gis). Insgesamt liegen damit zwischen Daumen und kleinem Finger bei beiden Akkorden gleich viele schwarze Tasten, aber um den Mittelfinger herum, also um die Terz, liegen sie anders verteilt. Vom C zu seiner Terz E sind es vier Halbtöne (Cis, D, Dis, E; anders als bei Prime, Sekunde usw. zählen wir den Grundton diesmal nicht mit), aber vom D zu seiner Terz F sind es nur drei (Dis, E, F). Man nennt deswegen auch das E die „große Terz“ vom C, aber das F ist im Verhältnis zum D nur die „kleine Terz“.

Der Grund, warum aus dem Grundton C ein C-Dur-Akkord geworden ist, aber aus dem Grundton D ein D-Moll-Akkord, ist also, dass wir uns in der C-Dur-Tonleiter bewegen und daher beim D die kleine und beim C die große Terz erwischen. Wenn wir in die Tonart G-Dur (ein ♯) wechseln und somit das weiße F durch das schwarze Fis ersetzen, erwischen wir auch vom Grundton D aus die große Terz. Die kleine Terz vom D, das F, ist jetzt leiterfremd. Daher kommen in Liedern, die in der Tonart C-Dur notiert sind, die also keine Vorzeichen (♯ oder ♭) auf dem Notenblatt haben, sehr häufig die Akkorde C-Dur und D-Moll, aber selten D-Dur vor. In Liedern in der Tonart G-Dur hört man häufig den Akkord D-Dur, aber eher selten D-Moll. Das Beispiel verdeutlicht auch, dass man aus einem Moll-Akkord einen Dur-Akkord macht, indem man den Mittelfinger einen Halbton nach rechts (tonal: nach oben) verschiebt. Von Dur zu Moll kommt man umgekehrt, wenn man den Mittelfinger einen Halbton nach links verschiebt (tonal: nach unten).

Manche Akkorde hören sich netter an als andere, das habe ich weiter oben behauptet. Wir kennen jetzt einen sehr einfachen Weg, wie man die bekannten Dur- und Moll-Dreiklänge auf einem Klavier spielen kann. Die finden die meisten Zuhörer*innen harmonisch. Wenn man dagegen völlig ziellos auf eine Klaviatur greift, erwischt man mit einiger Wahrscheinlichkeit Tasten, die direkt nebeneinander liegen. Und das klingt meistens besonders schief. Diese Betrachtung ist spannenderweise einerseits direkt aus dem Leben gegriffen – man denke an Kinder, die zum ersten Mal ein Klavier bedienen – und ist andererseits sehr unrealistisch. Denn normalerweise spielt man nicht einen Akkord und hört dann gleich wieder auf, sondern man spielt ein ganzes Musikstück. Kombiniert mit Melodie und Rhythmus, eingebettet in andere Akkorde, kann so ein schiefes Etwas dann auf einmal seinen Platz finden. Häufig sind es gerade die vermeintlich schiefen Akkorde, die einem Lied die Würze geben. Wie in so vielen anderen Bereichen hängt auch – und gerade – in der Harmonielehre eben alles vom Kontext ab.

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